Garmisch – Gardasee (2004)

in 5 Etappen (350 Km / 9000 Hm)
Teilnehmer: Robert Göricke, Christian Nikolaus und Uwe Nikolaus
Gesamtzeit: 30 Stunden, davon 22 Std. biken und 8 Std. schieben und tragen

1. Tag, Garmisch – Ötztal:

(103 Km / 2200 Hm / Fahrzeit: 6:40 Stunden)

Morgens, kurz vor 7:00 Uhr, trafen wir uns in Ingolstadt am Hauptbahnhof und fuhren nach Garmisch. Uns war irgendwie nach einem Alpencross zumute.

Um 10.00 Uhr waren wir endlich am Bahnhof in Garmisch angekommen. Wir konnten es kaum erwarten, endlich die 3000er zu stürmen und rollten erst einmal locker Richtung Eibsee. In Grainau holten wir das vor Aufregung und Vorfreude vergessene Frühstück nach und pressten uns schnell ein paar Wurstsemmeln rein, damit es endlich weiterging über den Eibsee zum Hochthörlen (Grenzübergang von D nach Ö, oberhalb des Eibsees). Auf einer geteerten Straße, welch eine Schande, ging es weiter nach Ehrwald. Von dort radelten wir auf Waldwegen am Hang entlang über den Fernpass nach Nassereith, wo wir um 15.00 Uhr endlich unsere wohl verdiente Mittagspause machten, bei der es aber nur Kaffee und Kuchen gab, weil um die Zeit die Küche schon kalt war. Und außerdem das Klientel dieses Etablissements eher auf Kaffee und Kuchen steht und einen seltsamen Dialekt spricht, der mit dem der Eingeborenen nichts gemein hat. Ich habe um Leipzig schon mal so etwas gehört. Auf dem Weg zu Kaffee und Kuchen überquerten wir einen lichten Wald, der komplett und homogen mit Gras bewachsen war. Das sah aus wie die Teletubbie-Wiese mit Bäumen drin. Ich hatte richtig Angst, dass uns diese Biester hinter den Bäumen auflauern.

Frisch gestärkt und mit Koffein gedopt, kurbelten wir weiter Richtung Imst. Jetzt waren wir schon fast im Inntal. Weiter und immer weiter fuhren wir bis zum Eingang des Ötztales bei Sulden. Dort machten wir die Kehre vom Inntal in das Ötztal. Jetzt waren es nur noch schlappe 30 km von deren 103. Anfangs versuchten wir wirklich Radwege zu suchen, die parallel zur Straße verliefen, aber nachdem wir uns einige Male verfuhren und dabei einen saugeilen Holzsteg entdeckten, der einfach an den Felsen über einen reißenden Strom gezimmert war und in einem Wanderweg endete, der uns zu einer längeren Schiebung veranlasste, und wir dabei einige Höhenmeter umsonst machten, entschieden wir uns, die letzten 20 km – in Gottes Namen – auf der Straße zu bleiben.

Es war schon ca. 20.00 Uhr und fast dunkel, als wir uns, 3 Kilometer vor unserem gebuchten Zuhause, zu einem Blitzstreik, beim Schnitzelwirt in Längenfeld, entschlossen. Uwe, der Streikbrecher, sagte in der Pension bescheid und gesellte sich anschließend auf ein Schnitzel und ein Alkoholfreies zu Chris und mir. Der letzte Bissen meines Schnitzels war mir wohl nicht vergönnt. Er fiel mir förmlich aus dem Gesicht – bei dem Schrei – als mich just in diesem Moment, ein Krampf im Oberschenkel ereilte. Das war für mich ein sicheres Zeichen für den Feierabend.

2. Tag, Ötztal – Hochjoch:

(48 Km / 2300 Hm / Fahrzeit: 9 Stunden, davon 6 Stunden schieben und tragen)

An einem sonnigen Sonntagmorgen, fuhren wir das Ötztal weiter bergauf Richtung Sölden. Mit jedem Tritt war mir, als bohrte sich eine Stricknadel von der Kniescheibe Richtung Hüfte, in meinen Oberschenkel. Aber keine Angst, dass ist nur so bis man warm ist. Je näher wir Sölden kamen desto mehr MTB`ler schwirrten um uns herum wie Fliegen um etwaige Hinterlassenschaften. „Da muss irgendwo ein Nest sein!!!!“ ein Nest nicht – aber ein MTB Rennen klärte mich Christian auf. Ihm zuckte es auch schon in den Waden – aber seine Klasse startete so spät, dass es unseren Zeitplan durcheinander gebracht hätte. Außerdem wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was uns noch erwartet. Mit dem sicheren Gefühl eines moralischen Sieges ging es weiter über die Söldener Gletscherstraße zur Gaislachtalalm. Auf dem Weg dorthin trafen wir noch andere Alpencrosser, die unseren Speed aber nicht gehen konnten. (…die von Chris und Uwe) Chris radelte wie nichts an ihnen vorbei, in der einen Hand den Lenker, in der anderen die Kamera. Dann sprintete Uwe wieder an allen vorbei und machte Fotos von den verdutzen Gesichtern. Auf der Gaislachtalalm machten wir eine Mittagspause, die diesmal sogar pünktlich war und ließen den anderen etwas Vorsprung. Nach dem Essen erwartete uns ein endgeiler Trail, der all unser Können abverlangte und noch ein bisschen mehr. Dieser endete an der Teerstraße hinauf nach Vent, das zum totalen Touristengetto ausgebaut war. Jetzt hatten wir ca. 35 km hinter uns gebracht und es sah so aus, als wenn wir gut im Zeitplan liegen würden. Die nächsten Kilometer waren auch noch eine Autobahn, jedoch ohne Mittelstreifen, die wir uns mit Fußgängern Autos und Kühen teilten. Komisch ist nur, dass hier außer uns keine Radler waren. Das muss einen guten Grund haben. Nachdem die Teerstraße an der letzten Kneipe endete, dauerte es auch nicht mehr lange, bis wir die Bikes zur Seite nahmen und uns auf Schusters Rappen des Weges machten. Uwe versuchte verzweifelt noch jeden Meter zu fahren, aber mir war das Auf und Ab zu blöd. Wir marschierten nun 110% Wanderwege am Rande einer Schlucht, die von einem Gletscherfluss gefräst wurde. Zu diesem Zeitpunkt beeindruckte mich noch das Panorama und die ungezähmten Naturgewalten. Dies änderte sich schlagartig nach der Hochjochhospiz Hütte, als wir vor einer 200 m hohen Wand standen, an der ein Zick-Zack-Weg als Einstieg in das nächste Hochtal führte, dass quer zu diesem verlief. Wir hatten ja erst 3 Stunden geschoben – das kann ja nicht mehr lange dauern. Nachdem wir diese Wand erklommen haben, dachte ich, dass der Pass bald erreicht sei – weit gefehlt. Wir schleppten uns und unsere Räder an der endlosen Flanke dieses Berges entlang, die nur aus einem einzigen Geröllfeld bestand. Die Brocken wurden mit jedem Höhenmeter immer unbarmherziger und bald war der Weg nur noch zu erahnen. Dies war der Zeitpunkt an dem wir unsere Räder schultern mussten. Langsam hatte ich das Gefühl jemand hat das Licht ausgemacht, denn es wurde dunkel und uns ergriff Panik, dass wir in dieser Wand, zwischen 2400 und 2800 m, übernachten müssen. Diese Angst ließ uns noch die letzten Kraftreserven mobilisieren, damit wir doch noch eine Hütte finden, wenn wir über den Pass sind. Uwe hat gesagt nach 2800m geht’s wieder runter. Es sah auf einmal so aus, als hätten wir das Ende dieser Flanke erreicht, weil die Kante wenige Meter vor uns lag. Ich schöpfte Hoffnung und preschte voraus, bis ich hinter die Kante schauen konnte. Dann musste ich mich erst einmal setzen und verfiel in dumpfes Brüten. Mir war zum Weinen zumute aber es bringt nichts, vor dem Brunnen zu weinen, in den das Kind gefallen ist.

Nach dieser Kannte kam ein Sturzbach von oben herab, der schon eine Kerbe in den Berg geschliffen hat. Über diese Kerbe war ein Seil gespannt, an dem ein Teller zum draufsetzen befestigt war. Mit dieser Seilbahn galt es, den Bach zu überwinden. Ich ging voraus durch den Bach, damit ich die beladene Seilbahn rüberziehen konnte, aber die anderen misstrauten dieser Konstruktion. So schleiften wir uns und unsere Bikes durch den Bach. Zum Glück war in der Mitte ein großer Felsbrocken, an dem wir uns festhalten konnten. So waren wir alle drei sicher aber nass am anderen Ufer angekommen. Etwa eine halbe Stunde später, so gegen 20:45 tauchte wie aus dem nichts, die erhoffte Hütte, die Bella Vista Hütte, auf 2800 Hm auf, die auch noch Übernachtungsmöglichkeiten für 3 verirrte (Rad-)Wanderer bot.

Danke lieber Gott, Du hast unsere Gebete erhört.

Das geplante Etappenziel, ein gemütliches 3 Sterne Hotel lag ca. 800 Hm unter uns und weil wir nicht einschätzen konnten wie lange wir bis dorthin noch brauchen würden, blieben wir lieber auf dieser Hütte wo uns nur ein Lagerplatz angeboten wurde.

Nach dem Abendessen beschlossen wir, morgen die nächste Bergkette statt bei den Kofelraster Seen (auf 2400hm) bei der Naturnser Alm (auf 2000hm) zu überqueren und einigten uns darauf, dass wir uns doch 5 Tage Zeit lassen um auch etwas vom Alpencross zu haben.

3. Tag, Hochjoch – St. Pankraz im Ultental:

(66Km / 1600 Hm / Fahrzeit: 4:50 Stunden)

Morgens hatte die Sonne wieder gut lachen, als wir die ersten Kilometer an diesem Tag über ähnliche Steinbrocken wie gestern nur 100 hm bergab schoben. Diesmal hatten wir aber jederzeit das Ende der Schiebepassage vor Augen. Es war ein herrlicher Downhill, zeitweise 40% Gefälle auf einer breiten Schotterpiste, bis hinunter Richtung Naturns im Vinschgau. Bei dieser Abfahrt vernichteten wir, auf ca. 30 km hinunter, 2300 hm, die wir uns schwer erkämpft hatten. Gestoppt hat uns nur ein Kettenklemmer, am Bike von Chris. Die Kette verklemmte sich im Schaltwerk und verbog dabei ein Kettenglied um 90 Grad. Das war aber der einzige Defekt auf unserer Alpenüberquerung.

Wir fuhren weiter und kamen nach ca. 1 ½ Stunden in Kurzras, dem eigentlich für gestern geplanten Etappenziel, vorbei. Das wäre also gestern Abend nichts mehr geworden. Jetzt waren wir am oberen Ende des Schnalstales. Wir fuhren weiter bergab, unter anderem auf den Trails entlang des Vernagtstausees. Unser nächstes Ziel war das Schloss Juval, Reinhold Messners Wohnsitz (den gibt`s wirklich!!!). Von der Hauptstraße fuhren wir bald wieder runter und fuhren über so genannte Waalwege, das sind Wege die an Bewässerungsgräben für die Obstgärten entlang führen, zum Schloss Juval, wo wir in einer kleinen Jausenstation unsere Mittagspause machten. Uns blieben fast die Nudeln unserer Nudelsuppe im Hals stecken als plötzlich ein vollbärtiger Mensch aus dem Schloss spazierte. Ja er war es – Reinhold Messner –es gibt ihn also tatsächlich, den der behauptet den Yeti gesehen zu haben.

Von dieser magischen Begegnung gerührt, fuhren wir runter nach Naturns. Dort durchquerten wir das Tal auf direktem Weg und packten den Anstieg, der über 1500 hm zur Naturnser Alm ging, an. Zuerst führte dieser Weg auf Teer bergauf, ca. nach der Hälfte ging er auf Schotter weiter. Nach einer kurzen Pause auf der Alm mussten wir einen Kilometer schieben. Aber diesmal hatten wir wenigstens eine schöne Aussicht auf die Dolomiten mit dem imposanten Rosengarten. Das Ganze leider etwas im Nebel und nicht so wie man den Rosengarten von Postkarten kennt. Jetzt mussten wir nur noch hinunter ins Ultental nach St. Pankraz. Auch hier war leider bergab nicht alles fahrbar und wir mussten ca. 2 km bergab schieben bzw. Trailhoppen, eine Fahrtechnik von Hans Rey. Das ist eine etwas schnellere Variante in schwierigem Gelände bergab zu kommen, wenn richtiges Fahren kaum möglich ist. Dabei hat man den Hintern hinter dem Sattel, einen Fuß eingeklickt und mit dem anderen Fuß wird die wackelige Sache ausbalanciert, so wir dann bergab gerollt.

Irgendwann waren wir dann doch auf einer Teerstraße auf der wir nach St. Pankraz rollten und im Hotel „Zur Post“ übernachteten. Das war die beste Übernachtungsmöglichkeit auf der ganzen Tour. Also eine Top Adresse vor allem wenn man bedenkt dass es ein 3 Sterne Hotel ist und wir inkl. großem Frühstücksbuffet, Swimmingpool…… nur 28 Euro bezahlten.

4. Tag, St. Pankraz – Molveno:

(80 Km / 1800 Hm / Fahrzeit: 5:30 Stunden)

Nach einem guten Frühstück fuhren wir das Ultental aufwärts bis zu einem Abzweig Richtung Cles. Hier mussten wir wieder einmal unsere Funkgeräte einsetzen. Christian war nämlich an dem Abzweig Richtung Süden vorbeigerast und war schon in der nächsten Ortschaft. Nachdem wir wieder beisammen waren, fuhren wir auf dieser Teerstraße bergauf. Da unten an der Teerstraße eine Baustelle war, wurden wir beim bergauf fahren nicht von allzu vielen Autos überholt. In der Nähe des Cles Sees machten wir eine kurze Mittagspause, bei der sich Robert und Christian ein Panino gönnten. Bei dem nicht allzu leckeren Anblick verzichtete Uwe freiwillig und drückte einen Xenofit Riegel runter obwohl auch er das Zeug kaum noch sehen konnte.

Auf einer viel befahrenen Hauptstraße fuhren wir weiter Richtung Süden. Vor Spormaggiore fuhren wir wieder runter. Jetzt stand noch ein ca. 500 hm hoher Berg durch Obstgärten vor uns. Bevor wir diesen in Angriff nahmen wurden wir noch von einem Regenschauer kurz gestoppt. Weiter ging es durch Obstgärten und nach Andalo. Dort wurde wir von einem weiteren, diesmal heftigeren, Regenschauer aufgehalten und versorgten uns während dieser Pause in einem Supermarkt mit ausreichend Mars, Cola usw. Dieses Zeug stopfte Uwe in sich rein, weil er den ganzen Tag nur 2 Xenofit Riegel gegessen hatte und einem Hungerast nahe war. Hier hatten wir uns schon entschieden doch noch einen Stopp in einzulegen und einmal zu übernachten. Weil in Andalo die Preise aber ziemlich hoch waren, fuhren wir im strömenden Regen hinunter nach Molveno, weil wir dachten, dass es dort etwas billiger ist. Aber auch dort mussten wir in einem herunter gekommenen 2 Sterne Hotel pro Person 35 Euro für eine Nacht zahlen.

5. Tag, Molveno – Torbole:

(53 Km / 900 Hm / Fahrzeit: 3:10 Stunden)

Nach dem Frühstück, endlich gab es richtig guten italienischen Kaffee, fuhren wir auf dem Seerundweg um den Molvenosee. Danach auf einer Teerstraße weiter Richtung Ponte Arche. Von hier orientierten wir uns Südwesten zum Tennosee. Bei km 30 verließen wir wieder die Teerstraße und fuhren auf zu dem Rif. San Pietro, das auf 970 Meter Höhe lag. Anfangs war es noch ein gut fahrbarer Feldweg, der durch ein von felsigen Bergen umrahmtes Tal führte. Doch auch heute wurden wir nicht verschont und mussten schieben und das durch ein Waldstück, das an einen Regenwald erinnerte. Extrem hohe Luftfeuchtigkeit und überall Stechmücken die sogar durch die Kleidung stachen. Nach diesem Waldstück fuhren wir auf Schotterwegen Richtung Tennosee. Den Lago hätten wir eigentlich schon sehen müssen, aber der war von dichtem Nebel eingeschlossen. Ab der Ortschaft Tenno fuhren wir auf Trails hinunter nach Riva und anschließend am Strand entlang nach Torbole.